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Vorwort

Dieses Handbuch des Schwindels hat seinen Autor sofort hinter die Mauern der bayerischen Staats-Psychiatrie gebracht. Das Buch selbst wurde verboten (gleich 1922, im Jahr des Erscheinens) und war noch nach 1945 dort, wo man es zu verbrennen vergessen hatte, auf dem Index, im Giftschrank, nur im Lesesaal einzusehen.
Das Buch ist derweil so vergessen wie der Autor. Unsere Lexika nennen einen 'Seeliger' nicht (obwohl er so hieß). Mag sein, einige erinnern sich an den Titel Peter Voß, der Millionendieb - sie erinnern sich dann an den Titel eines Films, der in den 50er Jahren (mit O.W.Fischer) gedreht wurde, nach dem gleichnamigen Roman von Seeliger. Die anderen Romane - verbannt, verbrannt. Dabei hatten die zwanziger Jahre unter all ihren Phantasten und Weltverbesserern, in ihrer Inflation an Propheten, Spinnern und Rattenfängern wahrscheinlich keine so witzige und sprachbegabte und aufgeklärte Figur wie diesen Ewald Gerhard Seeliger. Seine Wort-Virtuosität hat nicht selten expressive Kraft, wirkt in ihren besten Momenten wie eine Mischung aus Karl May und Joyce und ist bei aller scheinbaren Verspieltheit von einer politischen Hellsicht, die eine bayerische Staatsaufsicht mit guten Gründen so reizen konnte, daß sie den Mann ins Irrenhaus sperren ließ (Näheres berichtet auch hierzu das Nachwort von Max Heigl). Das Handbuch des Schwindels ist eine zeitgeschichtliche Fundgrube. Auch dieser Seeliger dokumentiert, wie das, was uns akut umgibt, nur zu überleben ist, wenn man es aufs Spiel setzt. Wer dieses denkwürdige Lexikon zu lesen versteht, findet von Stichwort zu Stichwort einen poetischen Röntgen-Geist am Werk, der uns zeigt, was alles schon in diesen Jahren 1921/1922 zu durchschauen gewesen wäre - an Klüngel, Hetze, Fanatismus, Kriegstreiberei, Rassismus, Nazismus. Und der uns ein weiteres Mal belegt, daß es eben nicht die 'Realpolitiker' sind, die das Unheil kommen sehen, sondern denn doch eher die 'Illusionisten', die 'Träumer', die 'Pinscher'. - Diese erste [Hier: zweite, Anm. des Web-Autors] Wiedergutmachung an einem aus der bekanntlich grossen Schar der verdrängten und verleumdeten deutschen Dichter der Seeliger-Generation wird hoffentlich zum Signal, auch seine übrigen Texte zu entdecken, seinen weltverlachenden, schwindelreinigenden und nicht nur wortverspielten Humor-Kosmos.

Jürgen Lodemann



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